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Ohne Titel (Aarelandschaft)
  • Ölfarbe auf Leinwand. Paravent, fünfteilig
  • 144,5 x 48 cm (5 Stück)
  • Privatbesitz Schweiz, Depositum im Zentrum Paul Klee, Bern
Werkbeschrieb
Literatur

Der fünfteilige Paravent »Ohne Titel (Aarelandschaft)« um 1900 öffnet den Blick auf die Aarelandschaft bei Bern, die Paul Klee über alles liebte. Schon früh war die Flusslandschaft der Aare zu einem Fluchtraum geworden, in den sich das von den Erwachsenen oft unverstanden fühlende Kind zurückzog. Frucht dieser intensiven Auseinandersetzung mit Natur und Landschaft seit der Kindheit sind eine Reihe von technisch erstaunlich ausgereiften Skizzen und Zeichnungen des 17-Jährigen mit Titeln wie »Die Aare bei der Hunzikenbrücke« oder »Aus der Elfenau«, beide 1896.

Die »Aarelandschaft«, eines der frühesten Ölgemälde Klees überhaupt, war eine Auftragsarbeit, die der junge Künstler während eines dreimonatigen Bern-Aufenthalts im Spätsommer 1900 ausführte. Klee nutzte die Zeit der Semesterferien an der Münchner Kunstakademie, wo er seit sechs Monaten bei Franz von Stuck studierte, um sich in der vertrauten Berner Umgebung zu entspannen und mit Gelegenheitsaufträgen ein wenig Geld zu verdienen.

In einem Brief an seine spätere Frau Lily Stumpf äusserte sich Klee ziemlich abschätzig über die »unverdaulichen spanischen Wände«, die ihn nach seiner Einschätzung von der wahren künstlerischen Arbeit abhielten. Ihm missfiel wohl, dass er sich als Maler formal so unverkennbar an einer ganz vom Jugendstil geprägten Ästhetik mit dekorativer Flächengestaltung und tonaler Farbigkeit zu orientieren hatte, die dem damaligen Zeitgeschmack entsprach.

Aus heutiger Sicht betrachtet aber fällt das Urteil wesentlich milder aus, überzeugt das Werk doch gerade durch bemerkenswerte künstlerische Qualitäten, die über den Jugendstil hinausweisen: So wird zum Beispiel die kompositorische Symmetrie der zwei äusseren Paneele oder die Spiegelbildlichkeit der zweiten und vierten Paneele in räumlicher Diskontinuität aufgelöst. Eine einheitliche Gesamtansicht lässt sich nicht herstellen; der Betrachter blickt von verschiedenen Standorten und aus wechselnden Perspektiven sowie unter sich verändernden Lichtverhältnissen auf die Flusslandschaft. Diese Darstellungsweise der Aarelandschaft entspricht nicht dem dekorativen Gestaltungsmuster des Jugendstils, sondern entspringt einer fotografischen Sicht – und dies etwa ein Jahr bevor sich Klee mit dem Medium Fotografie intensiv auseinanderzusetzen begann. Der Eindruck des Wandels korrespondiert mit dem Thema des Bildes: Dem Lauf des Flusses und der Bewegung des Wassers.

Die intensive Naturerfahrung an den Ufern der Aare wurde für Klee zum initialen Erlebnis für seine lebenslange Beschäftigung mit dem Thema der Landschaft. Ganz besonders interessierte ihn dabei der dynamische Aspekt der Landschaft, der für ihn zum Beispiel durch die Bewegung des Wassers symbolisiert wurde. Knapp 40 Jahre nach der »Aarelandschaft«, zwei Jahre vor seinem Tod, griff Klee 1938 das Thema noch einmal auf und fand in »fliessend«, 1938, 13 (13), einer Arbeit, die er mit Kleisterfarbe auf Zeitungspapier malte, zu einer Bildlösung, die in ihrer Knappheit und Prägnanz zum Sinnbild wurde.

Quelle: Zentrum Paul Klee, Bern (Hrsg.), Kurzführer, Ostfildern-Ruit 2005, S. 60-61 (Michael Baumgartner)