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Bildn. einer gefühlvollen Dame
  • Paul Klee
  • Bildn. einer gefühlvollen Dame
  • 1906, 16
  • Wasserlösliche Farbe mit Pinsel, Zeichnung mit Nadel, geritzt in weisser Farbe, weiss und mehrfarbig hinterlegt, hinter Glas; rekonstruierter silberner Rahmen
  • 24 x 15,8 cm
  • Zentrum Paul Klee, Bern
Werkbeschrieb
Literatur

Im Sommer 1905 begann Klee damit, geschwärzte Glasplatten als Bildträger zu verwenden, die er mit einer Nadel bearbeitete. Den Widerstand des ungewohnten Trägers nutzend, fand er so eine neue Möglichkeit des bildnerischen Ausdrucks, die Ritzzeichnung. Im Tagebuch beschrieb er seine »Entdeckung« wie folgt: »Das Mittel ist also nicht mehr der schwarze Strich, sondern der weisse. Die helle Energie auf nächtlichem Grund entspricht sehr schön dem Wort ›es werde Licht‹. So gleite ich sachte hinüber in die neue Welt der Tonalitäten.«

Schon Jahre vor seinen ersten Versuchen auf Glas hatte sich Klee mit fotografischen Kopiermethoden in der Art des Cliché-verre-Verfahrens beschäftigt. Wesentlich war ihm dabei die Umkehrung der Gestaltwerdung, vom Positiv zum Negativ. Auch an der Hinterglasmalerei interessierte Klee vor allem der bildnerisch-experimentelle Charakter: Die Auseinandersetzung mit der volkstümlichen Bildtradition dieser Gattung spielte für ihn, im Gegensatz etwa zu Wassily Kandinsky, keine Rolle.

In anschaulichster Form kommt die Energie der weissen Linie im Bildnis »m Vater«, 1906, 23 zur Geltung: Klee bemalte die Glasscheibe deckend mit schwarzer Tusche und ritzte in diese mit präzisen Strichen die Züge des väterlichen Porträts ein. Dahinter legte er einen weissen Farbgrund, aus dem die mächtige Erscheinung des Vaters hervortritt.

Beruhen Beispiele wie dieses auf einer eigentlichen Umkehrung der Radiertechnik, so erweiterte Klee in der Mehrzahl seiner Hinterglasbilder den Gestaltungsvorgang in den Bereich der Malerei, indem er die geritzte Glasfläche mit farbigen Bildgründen hinterlegte und mit Aquarellfarbe oder Tusche direkt auf das Glas malte. Dabei verfloss die Farbe auf dem glatten Material und ergab ein weiches, schillerndes Bild, das er insbesondere zur Darstellung von Landschaften verwendete.

Manche der Szenen auf den Hinterglasbildern sind Satiren, die Klee mit raffinierten Details ausstattete, wie zum Beispiel das Hündchen mit dem Nasenring auf dem »Bildn. einer gefühlvollen Dame«, 1906, 16. Von androgyner Erotik ist die »Puppe an violetten Bändern«, 1906, 14, die wie ein Äffchen durch die Luft schwingt. Derbere Karikaturen sind das »Verkommene Paar«, 1905, 31, oder das »Bildnis einer verblühenden Rothaarigen«, 1905, 18.

Insgesamt 64 Hinterglasbilder Klees sind heute bekannt. Von den Differenzierungsmöglichkeiten im Bereich der Tonalität, die er in der Hinterglasmalerei erreicht hatte, profitierte Klee auch in seiner künstlerischen Arbeit auf Papier. In den so genannten »Schwarzaquarellen« griff er landschaftliche Motive aus seinen Hinterglasbildern auf und nuancierte diese – nun vom Hell ins Dunkel arbeitend – in umgekehrter Weise.

Quelle: Zentrum Paul Klee, Bern (Hrsg.), Kurzführer, Ostfildern-Ruit 2005, S. 68-69 (Michael Baumgartner)